Gesunder Lebensstil beugt Gedächtnisverlust im Alter vor

Im höheren Alter treten Schwächen im Gedächtnis häufiger auf. Ein guter Lebensstil kann, verbunden z. B. mit gesunder Ernährung, regelmäßiger Körperbewegung und kognitiven Aktivitäten, den Gedächtnisverlust verlangsamen. Das zeigt eine neue Langzeitstudie. 

 

Die Alterungsprozesse gehen mit der Abnahme verschiedener kognitiver Funktionen einher, dazu gehören Schwächen im Gedächtnis, logischen Denken und in der psychomotorischen Geschwindigkeit. Das kann die Lebensqualität im Alltag beeinträchtigen. In der medizinischen Forschung arbeitet man daran, Faktoren zu ermitteln, die kognitive Altersverläufe verbessern bzw. verlangsamen können. Dazu gehört auch das Ziel, der Entwicklung von Demenz-Krankheiten vorzubeugen. Wichtige Faktoren sind dabei das jeweilige Alter, chronische Krankheiten, der persönliche Lebensstil sowie eine bestimmte Genvariante. Letztere betrifft den Genotyp ApoE4, eine Variante von Apolipoprotein E, das ein Bestandteil von Lipoproteinen ist und zum Transport von Triglyzeriden und Cholesterin im Blut beiträgt. ApoE4 ist das bekannteste Risikogen für Alzheimer und andere Demenz-Krankheiten. Es wird mit einem früher beginnenden und schneller voranschreitenden Gedächtnisverlust verbunden. Menschen mit dieser Genvariante haben ein erhöhtes Risiko für abnorm hohe Werte von Aβ-Nervenfasern im Gehirn, verbunden mit einer schneller voranschreitenden Neurodegeneration und einem schnelleren Gedächtnisverlust im Vergleich zu Menschen, die ApoE4 nicht haben. Weiter können sich bei den Trägern dieser Genvariante die Einflüsse anderer Risikofaktoren verstärken, darunter z. B. der Bewegungsmangel, eine ungesunde Ernährung und das Rauchen.

 

Zu den beeinflussenden Faktoren für die Gedächtnisfunktionen im Alter gehört allgemein eine gesunde Lebensweise, wie sich bereits in einigen Studien gezeigt hatte. Ein gesunder Lebensstil, vor allem die gesunde Ernährung, kann dazu beitragen, den Abbau der kognitiven Fähigkeiten positiv zu beeinflussen und zu verlangsamen. Bisher untersuchten jedoch nur wenige Studien die Beziehungen zwischen Lebensstil und Gedächtnis im Alter. Man prüfte meist nur einzelne Faktoren und berücksichtigte auch nicht das erhöhte genetische Risiko, das Menschen mit ApoE4 in Bezug auf den Gedächtnisverlust tragen. Eine Gruppe chinesischer Forscher wertete dazu nun die Ergebnisse der großen COAST-Bevölkerungsstudie (China Cognition and Ageing Study) aus. Sie prüften erstmals über eine lange Zeit, ob und wie kombinierte gesunde Lebensstil-Faktoren und der APOE4-Status das Gedächtnis älterer Erwachsener beeinflussen. 

 

Die COAST-Studie wurde über zehn Jahre in verschiedenen Gebieten Chinas, im Norden, Süden und Westen, durchgeführt. Einbezogen waren ab 2009 rund 20.000 Chinesen im Alter ab 60 Jahren (im Durchschnitt 72 Jahre, Frauenanteil 48,5 %), die zu Beginn der Studie normale kognitive Leistungen zeigten. Alle Teilnehmer nahmen an verschiedenen Tests teil, in denen ihre kognitiven Leistungen im Lauf der Beobachtungsjahre mehrfach untersucht wurden. Darunter waren z. B. Tests, mit denen das sofortige, kurz- und langfristige Erinnern geprüft wurde. Bewertet wurde außerdem der gewohnte Lebensstil der Teilnehmer in Bezug auf die Qualität ihrer Ernährung, Körperaktivität, Sozialkontakte, kognitiven Aktivitäten sowie ihr Rauchverhalten und Alkoholkonsum. Je nach der Höhe dieser Faktoren wurden sie in drei Gruppen eingeteilt, mit einem günstigen Lebensstil (4 bis 6 Faktoren), einem mittleren (2 bis 3 Faktoren) und einem ungünstigen Lebensstil (kein oder nur 1 Faktor). Bei allen wurde außerdem die Gentypisierung von Apolipoprotein E durchgeführt, ApoE4 war bei knapp 6.000 Teilnehmern (20 %) vorhanden.

 

Die Teilnehmer wurden bis Ende 2019 beobachtet. Allgemein blieben die kognitiven Leistungen relativ stabil, die Gedächtnisleistungen nahmen jedoch mit dem zunehmenden Alter rascher ab. Vor allem Teilnehmer über 65 Jahren waren stärker davon betroffen. Dabei war jedes einzelne gesunde Verhalten der Lebensstil-Profile mit dem langsameren Rückgang des Gedächtnisses verbunden. Die stärkste Beziehung zum Gedächtnis hatte die Ernährung, gefolgt von kognitiven Aktivitäten, Körperbewegung und sozialen Kontakten. Bei Teilnehmern mit den günstigsten Lebensstil-Profilen entwickelte sich der Gedächtnisverlust deutlich langsamer, in etwas geringerem Maß galt dies auch für die Gruppe mit dem mittleren Lebensstil. Es galt weiter für ApoE4-Träger bei einem günstigen und mittleren Lebensstil im Vergleich zu denjenigen mit einem ungünstigen Lebensstil. Beobachtet wurde der positive Effekt des gesunden Lebensstils auf das Gedächtnis sowohl bei den Trägern von ApoE4 als auch bei Nicht-Trägern. Obwohl das genetische Risiko nicht veränderbar ist, stimmen diese Ergebnisse optimistisch. Sie deuten darauf hin, dass die Kombination gesunder Lebensstil-Faktoren unabhängig vom genetischen Risiko mit einer langsameren Abnahme des Gedächtnisses einhergehen kann. 

 

Die Forscher ziehen das Fazit: Die Studie zeigt, dass Gedächtnisverluste potenziell veränderlich und beeinflussbar sind. Ein gesunder Lebensstil mit mehreren positiven Faktoren — gesunde Ernährung, Verzicht auf Rauchen und Alkoholkonsum, regelmäßige Körperbewegung, kognitive Aktivitäten und soziale Kontakte —  war in dieser Langzeit-Beobachtung an älteren Chinesen mit einem langsameren Gedächtnisverlust verbunden. Das galt selbst dann, wenn bei den Teilnehmern der ApoE4-Genotyp als sogenanntes „Risikogen“ für Demenz-Krankheiten vorhanden war. Aus dieser Beobachtungsstudie lassen sich jedoch keine Ursachen für die Beziehung von Lebensstil und Gedächtnis ableiten. Die Forscher vermuten, dass die Faktoren eines gesunden Lebensstils das zerebrovaskuläre Risiko (betrifft die Blutgefäße des Gehirns) senken, die kognitiven Reserven verbessern, den oxidativen Stress und Entzündungen hemmen sowie neurotrophe Faktoren (wirken auf Nervenzellen ein) fördern können. Diese Beziehungen sollten in weiteren Studien untersucht werden. 

 

Unser Tipp: Zur gesunden Ernährung gehört die gute Versorgung mit Mikronährstoffen, Vitaminen, Mineralien, gesunden Fettsäuren und sekundären Pflanzenstoffen. Der Bedarf kann im Alter und z. B. durch Krankheiten erhöht sein. Mit geeigneten Nahrungsergänzungen lassen sich entsprechende Defizite ausgleichen. 

 

Quelle
Jinping Jia et al., Association between healthy lifestyle and memory decline in older adults: 10 year, population based, prospective cohort study. In: British Medical Journal, online 25.1.2023, doi: 10.1136/bmj-2022-072691.